Eine Schicht beim Abschlepp-Unternehmen

Der Morgen beginnt früh bei "Abschleppdienst Müller". Es ist 6 Uhr, und während die Stadt noch schläft, herrscht in der kleinen Zentrale des Unternehmens bereits geschäftiges Treiben. Inmitten des leichten Nebels und der ruhigen Straßen von Berlin steige ich in das gelbe Abschleppfahrzeug zu Jens, einem der erfahrensten Fahrer im Team.

Jens ist seit zehn Jahren im Geschäft. "Kein Tag ist wie der andere", sagt er, während er routiniert die Checkliste durchgeht: Fahrzeugpapiere, Werkzeug, Warnwesten, alles muss griffbereit sein. Heute ist Montag, traditionell einer der hektischsten Tage. Die ersten Anrufe kommen meistens von Pendlern, die morgens zur Arbeit aufbrechen und feststellen, dass ihr Auto nicht anspringt.

Unser erster Einsatz führt uns in einen Vorort. Ein roter Kleinwagen steht mitten auf der Straße, das Warndreieck ist bereits aufgestellt. "Batterie leer", diagnostiziert Jens nach einem kurzen Blick. Mit geübten Handgriffen verbindet er die Starterkabel, und nach wenigen Minuten schnurrt der Motor wieder. Der Fahrer, ein älterer Herr, ist sichtlich erleichtert. Ein kurzes Dankeschön, und wir sind wieder unterwegs.
Kaum zurück im Wagen, meldet sich die Zentrale mit dem nächsten Einsatz: Ein falsch geparktes Auto blockiert die Einfahrt zu einem Supermarkt. Jens steuert das Abschleppfahrzeug zielsicher durch den dichten Stadtverkehr. Vor Ort warten bereits der Filialleiter und ein verärgerter Lieferant. Das schwarze Auto steht direkt vor dem Lieferanteneingang. Jens hebt die Hebebühne, und mit einem leichten Ruck wird das Fahrzeug angehoben. "Hier geht's nicht nur um Verkehrsregeln, sondern auch um Geschäft", erklärt er, während wir das Auto zum nächsten öffentlichen Parkplatz bringen.

Die Einsätze reihen sich aneinander: Ein Unfall auf der Stadtautobahn, ein liegengebliebener Transporter auf der Baustelle, ein Sportwagen mit plattem Reifen vor einem Hotel. Jeder Auftrag hat seine eigenen Herausforderungen. Besonders beeindruckend ist die Effizienz und Gelassenheit, mit der Jens arbeitet. Selbst bei den kompliziertesten Aufgaben bewahrt er die Ruhe und findet schnell eine Lösung.

Zur Mittagszeit gönnen wir uns eine kurze Pause in einem kleinen Imbiss. Jens erzählt von den kuriosesten Erlebnissen, wie dem Abschleppen eines Trabis aus den 60ern oder dem Einsatz bei einer Hochzeit, bei der die Limousine des Brautpaars mitten auf der Landstraße liegenblieb. "Manchmal ist es wirklich wie im Film", lacht er.

Der Nachmittag bringt neue Herausforderungen. Ein heftiger Platzregen setzt ein, und die Straßen verwandeln sich in rutschige Hindernisbahnen. Ein Anruf aus der Zentrale meldet einen schweren Unfall auf der A100. Jens drückt aufs Gas. Vor Ort bietet sich ein chaotisches Bild: Mehrere Autos sind ineinander gefahren, Polizei und Rettungswagen sind bereits vor Ort. Mit präzisen Manövern und in enger Absprache mit den Einsatzkräften schafft es Jens, die beschädigten Fahrzeuge sicher aufzuladen und abzutransportieren.

Der letzte Einsatz des Tages führt uns zu einem verlassenen Parkplatz am Stadtrand. Ein verrosteter Lieferwagen muss entfernt werden. "Ein Klassiker", meint Jens, während er die Kette befestigt. "Manche Autos scheinen einfach vergessen zu werden."

Es ist mittlerweile dunkel, als wir zur Zentrale zurückkehren. Jens wirkt erschöpft, aber zufrieden. "Es ist ein harter Job, aber jemand muss ihn machen", sagt er, während er das Fahrzeug für die nächste Schicht vorbereitet. Ich verabschiede mich und verlasse das Gelände mit einem neuen Respekt für diese oft übersehene, aber unverzichtbare Arbeit.

Die Welt des Abschleppdienstes ist geprägt von Stress, Verantwortung und überraschenden Momenten. Jeder Einsatz ist anders, und die Menschen, denen man begegnet, machen jeden Tag zu einem kleinen Abenteuer.